In meinen Projekten erlebe ich immer wieder das gleiche Spannungsfeld: Auf der einen Seite der unbedingte Anspruch an Performance und Verfügbarkeit, auf der anderen Seite der steigende Druck, Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu reduzieren. Die gute Nachricht: Es gibt zahlreiche Hebel, mit denen sich der Energiebedarf der IT-Infrastruktur deutlich senken lässt, ohne dass Anwender oder Geschäftsprozesse darunter leiden. Im Folgenden schildere ich pragmatische Ansätze, die ich in Kundenprojekten angewendet habe — mit konkreten Maßnahmen, Messungen und Praxisbeispielen.
Erst messen, dann optimieren: Grundlagen schaffen
Bevor man optimiert, muss man wissen, wo der Strom wirklich fließt. Ich beginne deshalb immer mit einer Bestandsaufnahme:
- Erfassung der Infrastruktur-Komponenten (Server, Storage, Netzwerkgeräte, Kühlung).
- Messung des Energieverbrauchs pro Rack oder Service (PDU-Messwerte, IPMI, intelligente Stecker).
- Monitoring von Auslastung, CPU/GPU-Last, Storage-I/O und Netzwerktraffic über Tools wie Prometheus/Grafana.
- Ermittlung des PUE (Power Usage Effectiveness) für Rechenzentren oder lokalen Serverräumen.
Ohne valide Messdaten bleibt vieles Vermutung. Nur mit konkreten KPIs lassen sich Maßnahmen priorisieren und ihr Erfolg bewerten.
Rechte-sizing und Auslastungsoptimierung
Ein häufiger Fehler ist die Überdimensionierung: Server und VMs stehen mit geringer durchschnittlicher Auslastung herum, verbrauchen aber Grundlast-Energie. Ich setze deshalb auf folgende Praktiken:
- Consolidation: Virtualisierung oder Containerisierung (z. B. Kubernetes) erhöht die Auslastung physischer Hosts.
- Rightsizing: Analyse von CPU/RAM-Profile und Anpassung der VM-Größen; unnötig große Instanzen werden verkleinert.
- Auto-Scaling: Lastabhängiges Hoch- und Herunterskalieren von Ressourcen reduziert Leerlaufverbrauch.
Praxisbeispiel: Bei einem Kunden konnten wir durch Rechte-Sizing von 120 VMs auf 80 VMs und Einsatz von Kubernetes die Serveranzahl um 35% reduzieren — bei gleicher Service-Performance.
Hardware effizient wählen: Mehr Leistung pro Watt
Die Hardware entscheidet maßgeblich über die Energieeffizienz. Hier einige Leitlinien, die ich empfehle:
- Moderne CPU-Architekturen: AMD EPYC, Intel Xeon Scalable und ARM-basierte Lösungen (z. B. AWS Graviton oder Ampere) bieten oft bessere Performance/Watt als ältere Generationen.
- NVMe-SSDs statt HDDs: SSDs reduzieren I/O-Latenzen und ermöglichen oft geringere Serveranzahl.
- GPU-Effizienz beachten: Beim Einsatz von GPUs (AI/ML) auf effiziente Modelle achten; manchmal ist eine neuere GPU-Generation pro Rechenleistung sparsamer.
- Power-Supply und Energiemodi: Hochwertige Netzteile (80 PLUS Gold/Platinum) und aktivierte Energiesparmodi sind wichtig.
Beim Einkauf kombiniere ich technische Benchmarks (z. B. SPECpower) mit realen Workload-Messungen, um die beste Wahl für den eigenen Use-Case zu treffen.
Kühlung und Standort: Energie für Klimaoptimierung minimieren
Die Kühlung ist oft der zweitgrößte Verbrauchsposten nach den IT-Geräten. Effektive Maßnahmen:
- Freie Kühlung (Free Cooling): Nutzung externer Luft bei geeigneten Klimabedingungen reduziert mechanische Kühlung.
- Hot/Cold-Aisle Containment: Physische Trennung von warmen und kalten Luftströmen verbessert Effizienz.
- Optimierung der Raumtemperatur: Erhöhung der Satztemperatur um einige Grad spart viel Energie — innerhalb der Herstellerempfehlungen.
- Edge-Standorte und regionale Verlagerung: Manche Regionen bieten kühlere Umgebungen oder grünen Strom; Rechenzentrumslokation kann den Gesamt-CO2-Footprint reduzieren.
Softwareseitige Hebel: Energieeffiziente Anwendungen
Nicht nur Hardware, auch Software beeinflusst Verbrauch. Ich arbeite mit Entwicklerteams an folgenden Maßnahmen:
- Code-Optimierung: Algorithmische Verbesserungen (weniger CPU-Last, effizientere Datenstrukturen) reduzieren Rechenzeit.
- Batch-Verarbeitung außerhalb der Spitzenzeiten: Nicht-zeitkritische Jobs in Zeiten mit niedriger Gesamtauslastung oder zu Zeiten mit hoher Verfügbarkeit grünen Stroms planen.
- Cache-Strategien: Effektives Caching reduziert I/O-Last und damit Energieaufwand.
- Serverless und managed services: Für kleine/variable Workloads lohnt sich Serverless, weil Ressourcen nur bei Bedarf laufen.
Cloud, Hybrid oder On-Prem? Eine differenzierte Betrachtung
Die Cloud wird oft pauschal als effizienter dargestellt. Meine Empfehlung: bewerten Sie konkret anhand Ihrer Workloads.
- Cloud Vorteile: Skaleneffekte, moderne Hardware, Anbieter bieten oft bessere PUE und nutzen erneuerbare Energie (z. B. Google, Microsoft, AWS).
- On-Prem Vorteile: Kontrolle über Kühlung, Hardware-Lebenszyklus und Standort; in manchen Fällen günstiger, wenn Infrastruktur bereits effizient betrieben wird.
- Hybrid-Ansatz: Kritische, latenzempfindliche Workloads on-prem, variable Batch-Workloads in die Cloud auslagern.
Tools wie der AWS Customer Carbon Footprint oder Microsofts Sustainability Calculator helfen, Emissionen und Energieverbrauch vergleichbar zu machen.
Operational Excellence: Laufende Optimierung und Automatisierung
Nach der Umsetzung einzelner Maßnahmen ist kontinuierliches Monitoring entscheidend. Ich empfehle:
- Dashboards für Energie- und Performance-KPI (z. B. Grafana mit Prometheus + PDU-/IPMI-Daten).
- Alarme bei ineffizienten Zuständen (z. B. niedrige Auslastung mit hohem Energieverbrauch).
- Regelmäßige Reviews und ein grünes Runbook, das Verantwortlichkeiten und Maßnahmen beschreibt.
Praktische Beispiele und Zahlen
| Maßnahme | Typischer Einsparbereich | Bemerkung |
|---|---|---|
| Rightsizing & Consolidation | 10–40% | Abhängig von Ausgangsauslastung |
| Modernisierung Hardware | 15–30% | Neuere CPU-Generationen, NVMe |
| Kühlungsoptimierung | 10–25% | Hot/Cold-Containment, freie Kühlung |
| Software- und Architekturänderungen | 5–30% | Cache, Batch-Shift, effiziente Algorithmen |
Tools und Technologien, die ich empfehle
- Monitoring: Prometheus + Grafana, InfluxDB
- Messung: intelligente PDUs, DCIM-Tools, IPMI-Statistiken
- Analyse: PowerTOP (Linux), vendor-spezifische Tools (HPE iLO, Dell iDRAC)
- Cloud-Features: AWS Graviton-Instanzen, Azure Sustainability Calculator, Google Carbon-Aware Scheduling
Ein Aspekt möchte ich besonders betonen: Energieeffizienz ist kein einmaliges Projekt, sondern ein laufender Prozess. Kleine, schnell umsetzbare Maßnahmen (z. B. Auto-Scaling, PUE-Messung) bringen sofort Effekt, während größere Investitionen (Hardware-Neubeschaffung, Rechenzentrumsumbau) langfristig signifikante Einsparungen liefern.
Wenn Sie möchten, können wir gemeinsam einen kurzen Energiescan Ihrer Infrastruktur planen: 1) Messpunkte definieren, 2) Quick Wins identifizieren, 3) Roadmap für mittelfristige Maßnahmen erstellen — so entsteht eine pragmatische, priorisierte Strategie, die Performance sichert und den Energieverbrauch nachhaltig senkt.